Gestatten, Torball mein Name!

“Gestatten Torball. Blindentorball!”

Ein Gespräch mit einem ungewöhnlichen Sportgerät

Wollen wir zuerst einmal das Formale klären: Wie wirst Du denn am Liebsten angesprochen?
Eigentlich ist mein korrekter Name Blindentorball, aber die meisten nennen mich Torball. Das ist schon o. k. so.

Was unterscheidet Dich denn von Sportgeräten anderer Ballsportarten?
Ach, so viel ist das gar nicht. Mit ca. 500 g hab ich ungefähr das Gewicht eines Fußballes und mein Umfang ähnelt in etwa so einer Mischung aus Volleyball und Fußball. Das einzige, was kein anderer meiner Ballkollegen und -kolleginnen zu bieten hat: Ich hab Metallringe in meinem Bauch.

Metallringe im Bauch? Das ist ja schon ziemlich skurril?
Na ja. Du solltest wissen: Ich diene als Spielgerät für Blinde und sehbehinderte Sportler. Die tragen während der gesamten Spielzeit eine lichtundurchlässige Brille. Da macht das schon Sinn, dass die mich durch das Rasseln der Metallringe über das Gehör orten können.

Klingt logisch. Kannst du uns auch etwas zum Spiel selbst sagen?
Vielleicht zuerst mal was zum Spielfeld. Du musst Dir eine Fläche von 7 x 16 Meter vorstellen. An den beiden Stirnseiten stehen jeweils Tore. Die sind sieben Meter breit und 1,30 Meter hoch. An der Mittellinie ist quer über das Feld eine Leine in 40 cm Höhe gespannt. Jeweils zwei Meter rechts und links der Mittellinie gibt es ebenfalls eine Leine in 40 cm Höhe, die quer über das Spielfeld gespannt ist. Dann sind da auf jeder Seite des Spielfeldes drei Spieler. Die werfen mich unter den Leinen durch und hoffen, dass ich beim Gegner den Weg ins Tor finde.

Drei Leinen auf Kniehöhe. Drei Spieler auf dem Feld, die Nichts sehen können. Dann fliegst Du noch durch die Gegend. Endet das nicht im Chaos?
Nein keineswegs. Das geht sogar sehr geordnet ab. Vor jedem Tor sind drei Teppichmatten geklebt. Die sind zwei Mal einen Meter groß. Daran können sich die Spieler orientieren. Zusätzlich haben die noch mannschaftsinterne akustische Absprachen, so dass die genau wissen, wo sie grade sind und wo sie mich hinwerfen müssen oder wie sie mich abwehren können. Dazu kommt noch, dass die drei Leinen in der Mitte des Feldes mit Glöckchen ausgestattet sind, die bei der geringsten Berührung der Leinen ein akustisches Signal geben. Übrigens: Die Berührung der Leinen ist bei Strafe verboten. Weder die Spieler noch ich dürfen da dran kommen.

Und wie läuft denn dann so ein Spiel ab?
Das ist gar nicht so kompliziert. Die beiden Mannschaften befinden sich jeweils wechselseitig im Angriff und in der Abwehr. Bin ich z. B. im Besitz von Mannschaft A hat diese acht Sekunden Zeit, mich unter den Leinen durch zu werfen. Gleichzeitig knien die Spieler von Mannschaft B auf dem Boden und erwarten mich. Wenn ich dann auf dem Weg zu Mannschaft B bin legen die sich blitzschnell auf die Seite, strecken sich aus und verbauen mir – leider – den Weg ins Tor. Dann haben die von Mannschaft B wiederum acht Sekunden Zeit, mich auf die Seite von Mannschaft A zu befördern und so geht das immer hin und her. Insgesamt zehn Minuten pro Spiel.

Wird Dir dieses Hin und Her nicht irgendwann langweilig?
Nein, Überhaupt nicht. Da steckt ja noch mehr dahinter. Da gibt es z. B. Spieler, die können mich so schnell und leise werfen, da bin ich schon im Tor, bevor die in der Abwehr überhaupt merken was los ist. Das ist schon witzig, wenn Du aus dem Tor dann zuschauen kannst, wie die hinfallen und weißt genau: Ätsch. Zu spät. Aber noch mehr Spaß hab ich bei den Spielern, die mich so werfen können, dass ich im Spielfeld der abwehrenden Mannschaft zu hoppeln anfange. Da komm ich zwar nicht so schnell an, dafür kannst Du aber schon auf dem Weg das Chaos im Gesicht der Abwehrspieler sehen und genießen. Die wissen genau: Gleich trifft mich dieser blöde Torball so, dass er irgendwo weiter Richtung Tor springt. Was für ein Spaß, wenn ich denen zuschauen kann, wie sie verzweifelt versuchen mich vom Weg ins Netz ab zu halten, genau wissend: Ihr kriegt mich ja doch nicht.

Du hast vorhin von dem Verbot gesprochen die Leinen zu berühren?
Ach ja. Das ist auch noch so eine Besonderheit, die ich außerordentlich witzig finde. Es gibt da noch den Schiedsrichter, der u. a. darüber wacht, dass diese Leinen nicht berührt werden. Sollte das dann doch einmal passieren, wird der Verursacher für einen Angriffszug der gegnerischen Mannschaft des Feldes verwiesen. Leider sind die Spieler in der Regel schon so gut konditioniert, dass die von sich aus eher selten an die Leinen packen. Da muss ich halt dann für ein bisschen Leben in der Bude sorgen. Ich mach mir dann schon mal einen Spaß daraus die Leinen selbst zu berühren. Du solltest mal die Verzweiflung bei manchen Spielern sehen, wenn das öfter vorkommt. Die fallen da teilweise richtig vom Glauben ab. Ich grins mir dann immer eins und denke: Ups, Kann schon mal passieren – Gelle.

Das hört sich nach viel Spaß an – also zumindest für Dich. Wie viele Kollegen von Dir teilen denn Dein Vergnügen und wo kann man Dich mal erleben?
Wir sind eigentlich über ganz Deutschland verteilt. Es gibt seit einigen Jahren eine Torball-Bundesliga; hierarchisch unterteilt in drei Spielklassen. Da sind wir bis zu sechs Mal im Jahr aktiv. Darüber hinaus finden über das Jahr verteilt auch deutschland- und europaweit Freundschaftsturniere statt. Also, wir bekommen schon ordentlich Einsatzzeit. Es gibt auch noch eine Torball-Nationalmannschaft, die sich regelmäßig zu Lehrgängen trifft und zu Welt- und Europameisterschaften fährt. Auch da sind dann Kollegen von mir mit dabei.

Bei allem Spaß, den Du offensichtlich hast; Hier zum Schluss doch noch mal was Ernsteres: Stichwort Inklusion. Ist das bei euch auch ein Thema?
Selbstverständlich. Das wird im Torball schon seit vielen Jahren aktiv gelebt. Meine Kollegen und ich werden von Sehenden, Sehbehinderten und Blinden gleichermaßen durch die Sporthallen der Republik gescheucht. Da sowieso alle Spieler diese lichtundurchlässige Brille tragen müssen, ist es auch vollkommen egal wie groß der Sehrest noch ist. Unter der Brille sind eh alle gleich. Ich würde sogar noch ein Stück weiter gehen wollen und sagen, dass der Torball eine der wenigen Sportarten ist, wo sich „Nicht Behinderte“ den Gegebenheiten von „Behinderten“ anpassen müssen und nicht umgekehrt. Wollte man diesen Gedanken auf die Spitze treiben, könnte man sogar sagen: Hier inkludieren die „Behinderten“ Sportler die „Nicht Behinderten“ Sportler.

Ein interessanter Gedanke; wenn jetzt jemand den Torballsport mal näher kennen lernen möchte: Wo kann man denn mehr über Dich und Deine Kollegen erfahren?
Da kann ich Dir eine gute Homepage ans Herz legen: www.blindentorball.de
Dort erfährst Du noch viel mehr über mich, meine Kollegen und den Torballsport. Es gibt dazu auch eine Facebook-Seite. Wenn Du da mal nach Blindentorball suchst und die Seite abonnierst bekommst Du immer die neuesten Infos rund um den Torball.

Sehr schön. Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß in Zukunft.
Ich bedanke mich auch und würde mich freuen, demnächst mal einige Leser im wahrsten Wortsinn persönlich treffen zu dürfen.